Kritik in der "Lausitzer Rundschau" vom 16.6.2004, Seite 13

Besinnliche Stunde mit alten Meistern

Vergnügliche Wissenserweiterung beim Konzert in der Schinkelkirche

STRAUPITZ.    Wer Girolamo Frescobaldi war, hat man aus dem Musikunterricht vielleicht noch in Erinnerung. Den Namen Johann Sebastian Bach müsste man jenen erklären, die den Unterricht geschwänzt haben. Wer aber war Jean-Adam Guilain, wann lebte der Komponist Max Reger? Fragen, die mit einem Konzert in der Straupitzer Schinkelkirche am Sonntag beantwortet wurden.
    Die Sopranistin Brigitte Ga-nady, heute wohnt sie in Wußwerk, singt aber im Berliner Ernst-Senff-Chor und gastierte auf vielen in- und ausländischen Bühnen solistisch, stand auf der Orgelempore in Straupitz. Mit ihr der Komponist und Organist der katholischen Pfarrgemeinde St. Otto in Berlin-Zehlendorf, Karl-Hans Gehr. Beide bewiesen, dass geistliche Vokal- und Orgelmusik unterhaltsam und vor allem wissens-erweiternd sein kann, ohne den Anflug von Ermüdung aufkommen zu lassen.
    Frescobaldi schenkt den Or-ganisten beim Spielen seiner Werke nichts an Kunstfertig-keit. Der Organist der Pe-terskirche in Rom, ein Renais-sance-Komponist, gab Gehr die "Toccata e canzona in d" auf -

ein kraftvoll klingender Ein-stieg in das gut einstündige Konzert. Brigitte Ganady erinnerte mit "Eile, mich, Gott, zu erretten" an einen Zeit-genossen des römischen Organisten, an Heinrich Schütz. Gemeinsam mit dem Organisten gestaltete sie, stimmlich wohl klingend und in der Kirche gut verständlich, dieses Kleinod des älteren Kulturerbes. Sie war es auch, die drei Lieder von Antonin Dvorak mit Orgelbegleitung sauber und stimmlich differenziert sang.
   Gehr seinerseits machte mit einer Suite von Jean-Adam Guilain (der französische Meister lebte zwischen 1702 bis 1739) bekannt, die viele Möglichkeiten der Orgel mit ihren 24 Registern hörbar machte -vom fröhlich-kräftigen Trio bis zu getragenen Teilen, bei denen die dunklen, tiefen Töne das Kirchenschiff erfüllten.
   Orgelmusik von Felix Men-delssohn-Bartholdy gilt für viele als Geheimtipp. Dass dem so sein kann, bewies Organist Gehr mit dem "Praeludium und Fuga" in C-Dur des roman-tischen Meisters, der Bach für die Nachwelt wieder entdeckte und dessen musikalische Anlehnung an den großen

Barock-Komponisten unüber-hörbar ist.
   Mut zeigten die Programm-Gestalter, als sie Max Reger Stücke und Lieder einräumten. Ihm wird eine verschleierte Harmonik nach Wagner nach-gesagt, die Vorliebe für Variati-onen, die Anlehnung an die musikalische Strenge Bachs - alles das zeigten die fünf geistlichen Lieder Regers. Auch sein Orgel-Choral "Vater unser im Himmelreich", der dem Thema angemessen große Ruhe ausstrahlt und mit seinen dunklen Melodien Wärme suggeriert, bewies die Einschätzung.
   Eine Programm-Änderung brachte dem Publikum ein be-sonderes musikalisches Juwel. Karl-Heinz Gehr war offen-sichtlich auf die Straupitzer Orgel neugierig geworden. Er spielte die weltberühmte "Toc-cata und Fuge d-Moll" (BWV 565) mit einer Lebendigkeit, in der Fuge kraftvoll wie sensibel, dass die Königin der Instru-mente in Straupitz ihre Klangpracht voll entfalten konnte.
   Konzerte in Kirchen der Re-gion, das zeigte Straupitz, kön-nen musikalische Kostbarkeiten sein. Wer als Freund dieser Musik nicht da war, der könnte was versäumt haben, (-ds)




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